
Friedensförderung ist Gemeinschaftsbildung
Frieden und Friedenskonsolidierung stehen im Mittelpunkt der Werte von RBC und des Leitbilds von UWC. Aber was bedeutet das in der Praxis?
Die 2022 von Mitarbeiter:innen der Schule gegründete Anti-Rassismus-Arbeitsgruppe (AR Group) fördert einen strukturelleren Ansatz, um Fragen der Ungleichheit, des Rassismus und letztlich der Friedensbildung in unserer vielfältigen Gemeinschaft anzugehen.
Im Jahr 2024 hat das College unter der Leitung von Helen White einen Lenkungsausschuss eingerichtet, dem sowohl Schüler:innen als auch Mitarbeiter der AR Group angehören und der der Schulleitung Bericht erstattet. Wir haben mit den drei Mitarbeitern des Lenkungsausschusses gesprochen: Sozialpädagoge Emilio Toussaint und die Lehrerinnen Natasha Tourabi und Anna-Maria Baer.
Könnt Ihr uns einen Überblick darüber geben, wie Ihr die Arbeit der AR-Gruppe strukturiert habt?
Natasha: Die Anti-Rassismus-Gruppe begann informell als Sommerprojekt während der Corona-Epidemie und zur Zeit des Mordes an George Floyd und dem Aufkommen der Black Lives Matter-Bewegung. Seitdem hat sie sich ziemlich weiterentwickelt. Nachdem wir uns mit den in unserem Kontext vorherrschenden Antirassismus-Themen befasst haben, haben wir drei Arbeitsbereiche identifiziert: Die Untergruppe ‚Education‘ befasst sich damit, wie wir uns während unserer Zeit an der RBC weiterbilden können; ‚Beyond the Bubble‘ konzentriert sich auf das, was außerhalb von UWC passiert – in Gastfamilien, bei Aktivitäten außerhalb des Campus in Freiburg oder bei Projektwochen; während ‚Policies and Practices‘ versucht, strukturelle Veränderungen zu bewirken. Im nächsten Semester möchten wir die Arbeit dieser Untergruppen in das CAS-Programm integrieren.
Manch einer mag denken, dass es an einem United World College keine rassistischen Probleme geben würde. Schließlich bringt das UWC junge Menschen zusammen, um Vorurteile abzubauen.
Natasha: Ja, es gab die Annahme, dass, weil wir eine vielfältige Gemeinschaft sind, dies keine Probleme sind. Seitdem wir jedoch formell als AR-Gruppe arbeiten, haben wir alle von einigen rassistischen Vorfällen erfahren. Es war schwierig zu erkennen, dass wir auch als UWC keine antirassistische Gemeinschaft sind. Wir sind immer noch Teil einer größeren Gesellschaft und haben die gleichen Probleme. Aber es ist die Erkenntnis, dass wir nicht perfekt sind, die zählt. Für mich ist es ein großer Fortschritt, dass sich Schüler:innen und Mitarbeiter:innen zu Wort melden, damit wir anfangen können, Gespräche zu führen. Die Schulleitung hat uns in diesem Prozess sehr unterstützt.
Emilio: Viele Länder im globalen Norden und einige im globalen Süden bewegen sich leider auf einen intoleranteren Diskurs über rassische und sexuelle Minderheiten zu. Für mich ist das Mindeste, was wir tun können, uns zu informieren, uns zu stärken und dieses Wissen zu teilen. Ich denke, dass die sozialen Medien heutzutage einen großen Einfluss auf die Schüler:innen haben und dass viele Hassreden nicht angesprochen werden. Es ist an der Zeit, das Thema auf den Tisch zu bringen.
Anna: Und gleichzeitig ist es so schwierig, dieses Gespräch zu führen. Es ist ja nicht so, dass die Person, die etwas Rassistisches tut oder sagt, zwangsläufig ein schlechter Mensch ist; sie könnte ein Freund oder eine Kollegin sein. Es muss auch schwierig sein, dies als rassistische Person zur Sprache zu bringen. Daher ist es wichtig, die Mittel und die Sprache bereitzustellen, um darüber zu sprechen. Ich habe in diesem Prozess so viel gelernt, was ich nicht wusste und wofür mir die Worte fehlten.
Könnt Ihr Beispiele für Eure Arbeit am RBC nennen?
Emilio: In der Untergruppe ‚Beyond the Bubble‘ führen wir Gespräche, wenn sich Vorfälle außerhalb der Gemeinschaft ereignen, z. B. bei externen CAS-Aktivitäten, in Gastfamilien oder beim Tag der offenen Tür der Schule. Wir stehen auch in Kontakt mit anderen Schulen und erfahren, was sie tun. Das Hauptprojekt der Untergruppe war der diesjährige Special Focus Day zum Thema Rassenungleichheit, der viel Sensibilität für das Thema Ethnie weckte. Neben der Arbeit der AR-Gruppe, die einen politischen Bildungsansatz verfolgt, haben wir auch ein Format namens ‚Collective Care‘ eingeführt, einen sicheren Raum für rassifizierte Schüler und Mitarbeiter.
Natasha: Nach so vielen Gesprächen wurde uns klar, dass wir sowohl Präventions- als auch Betreuungsarbeit brauchen.
Anna: Es ist wichtig, dass es Räume nur für rassifizierte Menschen gibt, in denen die Teilnehmer:innen Themen diskutieren können, von denen sie nicht wollen, dass nicht-rassifizierte Menschen sie hören.
Emilio: Stimmt. Gleichzeitig gefällt mir sehr, dass die AR-Gruppe gemischt ist; es gibt keine Anforderungen an die Identität. Das ist nützlich, um die Solidarität zu fördern.
Anna: Wenn wir als Institution vorankommen wollen, müssen wir alle unseren Beitrag leisten.
Ihr arbeitet am RBC im Bereich der Friedensbildung und habt kürzlich an einem Peacebuilding Workshop in Norwegen teilgenommen. Was hat das mit Eurer Arbeit in der AR Group zu tun?
Natasha: Eine große Sache, an der wir in der Untergruppe ‚Richtlinien und Praktiken‘ gearbeitet haben, ist ein Vorschlag und eine Stellenbeschreibung für einen Koordinator für Friedensbildung am RBC. An unserer Schule geht es sowohl um Frieden als auch um Nachhaltigkeit. Wir haben jemanden eingestellt, der sich um Nachhaltigkeit kümmert, also sollten wir dasselbe für den Frieden tun. Die Teilnahme am Peacebuilding-Training hat uns geholfen, herauszufinden, was wir von dieser Person erwarten.
Anna: Die Schaffung einer Stelle, die die Friedensarbeit vorantreibt, würde auch die AR-Mitglieder entlasten: Wir machen diese Arbeit zusätzlich zu unseren regulären Jobs, und es ist eine Herausforderung, in einem geschäftigen Ort wie RBC die Zeit dafür zu finden. Diese Art von Arbeit basiert auf Kreativität, und die kann nur mit Raum und Zeit entstehen.
Emilio: Wir tun bereits viel für den Frieden bei RBC: die gemischten Häuser, die PT-Gruppen, die Special Focus Days, die allgemeine Idee und Absicht hinter dem Zusammenleben mit unterschiedlichen Hintergründen. Ich glaube jedoch, dass die Gemeinschaft eine Figur braucht, die die Dinge zusammenhält und sie zielgerichteter gestaltet. Wir hoffen, dass wir die Mittel bekommen, um diese Position möglich zu machen!
Natasha: Wir geben uns große Mühe, eine gute, starke Schüler:innengemeinschaft aufzubauen, aber das Gleiche fehlt uns bei unseren Mitarbeiter:innen. Solange wir dieses Gemeinschaftsgefühl unter den Mitarbeitenden nicht haben, werden wir nicht in der Lage sein, in unserem friedensfördernden Prozess insgesamt voranzukommen.
Emilio: Für mich ist die wichtigste Erkenntnis aus dem Workshop, dass Friedensförderung Gemeinschaftsbildung ist. Basierend auf unseren Erkenntnissen und den Prinzipien des Outward Bound-Programms wollen wir eine Projektwoche zur Friedensbildung anbieten. Die Schüler würden mit jemandem aus einem Gebiet, mit dem ihr Land im Konflikt steht, auf eine Naturexpedition gehen. Die einzige Bedingung: Sie werden gebeten, nicht über den Konflikt zu sprechen. Wir möchten, dass sie sich zuerst als Menschen kennenlernen, Vertrauen aufbauen und dann ihre Perspektiven austauschen.