
Verantwortung und gesellschaftliches Engagement
Für das „erfahrungsbasierte Lernen“ nach Kurt Hahn spielt das CAS-Programm der Schule eine bedeutende Rolle. CAS – das steht für Creativity, Activity & Service. Um das IB-Diplom zu erlangen, wählen sich Schüler:innen verschiedene kreative und sportliche Kurse aus und entscheiden sich pro Schuljahr für einen wöchentlichen Service, einen freiwilligen Dienst. Über die Jahre ist der Bereich ‚Community Service‘ gewachsen: Mehr als 20 Kooperationen laufen derzeit mit Einrichtungen und Initiativen der Stadt Freiburg und sind eine wichtige Brücke in die Stadt. Einige von ihnen erfüllen die Kriterien für „Service Learning“, also Lernen durch Erfahrung (LdE), eine Unterrichtsmethode, die gesellschaftliches Engagement mit fachlichem Lernen im Unterricht verbindet.
Ein Gespräch mit der CAS-Koordinatorin Tina Patzelt.
‚Community Service‘ spielt eine wichtige Rolle am RBC – so wichtig, dass mittwochs dafür der Unterricht erst am Nachmittag beginnt. Welche Idee steckt dahinter?
Tina Patzelt: Die meisten unserer Services laufen in Kooperation mit anderen Einrichtungen – Schulen, Kindergärten, Alten- oder Pflegeheimen, aber auch kleineren NGOs. Unterstützung brauchen diese eher am Vormittag – daher wurde beim Erstellen des Stundenplans ein Zeitfenster für den Service am Mittwochvormittag eingeplant. Diese Wertigkeit zeigt,dass wir Community Service als Schule ernst nehmen.
Erfahrungsbasiertes Lernen und der Dienst an der Gemeinschaft sind zentrale Bestandteile in Kurt Hahns Reformpädagogik. Wie wird der Bereich am RBC gelebt?
Tina Patzelt: Der Erfolg des Programms steht und fällt mit dem Engagement der Schüler:innen, aber auch der Betreuenden. Über einfache Tätigkeiten treten sie in Beziehung zu den Schüler:innen und kommen über den Unterricht hinaus in den pädagogischen Austausch. Wenn wir unsere Schule als Gesamtorganismus verstehen, in welchem alle in ihren jeweiligen Rollen Kontakt mit Schüler:innen haben, dann reicht es, wenn jede Person nur ein paar Schüler:innen im Blick hat – so funktioniert gute Beziehungsarbeit.
Es gibt etliche Services, die maßgeblich auf dem Engagement von Mitarbeiter:innen und von diesen entwickelt wurden: der Schulwald, unser Klostergarten, das Fahrradprogramm oder das Stolpersteine-Projekt.
Du hast den Bereich über die letzten 10 Jahre aufgebaut – wie entstehen die Kooperationen mit Einrichtungen?
Tina Patzelt:
Der Bereich Service weist – wie unsere Schule – eine möglichst große Vielfalt auf. Es gibt Projekte, die seit Gründung der Schule bestehen – wie die Kooperation mit dem benachbarten Johannisheim, mit den Bachpaten oder dem Ferdinand-Weiß-Haus (Wohnungslosenhilfe der Diakonie), solche, die projektbasiert sind und nur eine Saison angeboten werden, und wieder andere, die durch Kontakte oder das Engagement von Mitarbeitenden oder Gastfamilien angestoßen werden. Ideal ist es, wenn innerhalb der Einrichtung das Potential besteht, unsere Schüler:innen anzuleiten und in gemeinsame Projektarbeit einzubeziehen. Gut geklappt hat das im vergangenen Schuljahr zum Beispiel mit dem Zuka Solicafe im Haus der Jugend oder der ‚Democracy Crew 100%‘.
Wo möglich versuchen wir, den Aspekt Nachhaltigkeit bei der Projektauswahl zu berücksichtigen und fragen uns, welche Themen in die Pädagogik der Schule eingebettet werden können.
Welche Kompetenzen soll der Bereich Community Service vermitteln?
Tina Patzelt:
Beim Lesen der Portfolios der Schüler:innen stelle ich oft fest: Die wichtigsten Lernerfahrungen entstehen im direkten Kontakt mit Menschen. Das können berührende Momente sein oder auch schwierige – beides trägt zur Lernerfahrung der Schüler:innen bei. Bei den Services geht es auch darum, als Gruppe zu funktionieren und sich gemeinsam zu überlegen, wie man ein Ziel erreicht. Lernen und Wachstum bedeutet für mich, daß Schüler:innen über längere Zeit in einer Institution sind und deren Alltag miterleben. Das kann schon auch mal mit Schwierigkeiten verbunden sein. Die Frage ist dann: Wie gehen wir damit um?
Ein persönliches Highlight für Dich?
Tina Patzelt: Toll finde ich, dass wir jedes Jahr rund 20 Einrichtungen von außerhalb gewinnen können, sich und ihre Arbeit bei unserem „Markt der Möglichkeiten“ zu präsentieren. So haben die Schüler:innen eine große Auswahl. Es freut mich auch, wenn sich Synergien ergeben und aus bestehenden Services Projekte entstehen: Ein Kollege organisierte letzten Herbst einen Ausflug nach Vokuvar (Kroatien), um die Erinnerungskultur dort zu beleuchten. Und durch die Präsenz des Stolpersteine-Services werden wir oft in Veranstaltungen zur Erinnerungskultur in Freiburg einbezogen. Der Community Service hat uns geholfen, als Institution in Freiburg anzukommen.
In letzter Zeit kursiert oft der Begriff Service Learning im Bildungskontext – wo liegt der Unterschied zum Community Service?
Tina Patzelt: Nicht alle unsere Community Services sind Service Learning Projekte. Sie werden es dann, wenn Inhalte zuerst auch pädagogisch oder theoretisch vermitteltund später dann im Serviceprojekt umgesetzt werden. Das ist bei uns zum Beispiel beim Projekt Stolpersteine oder bei der Zusammenarbeit mit dem Freiburger Dokumentationszentrum Nationalsozialismus der Fall, wo die Jugendlichen sich Wissen über die NS-Vergangenheit aneignen oder Biografien von Holocaust-Opfern recherchieren, um diese dann auf der Stolpersteine Website zu veröffentlichen oder bei Stolperstein-Führungen mit der Öffentlichkeit zu teilen.
Bei der Projektentwicklung legen wir mehr und mehr Wert auf Service Learning; gleichzeitig wird dies auch von außen an uns herangetragen: Wir erhalten regelmäßig Anfragen von Schulen oder Auszubildungszentren, unser Service Learning Programm vorzustellen; jüngst haben wir dies auch in einem Forum des „Deutschen Schulportals“umgesetzt.